Es sind die Reichen, nicht die Alten, die uns die Zukunft stehlen.
… In Deutschland herrscht »Generationenkrieg«, so sieht es zumindest Michael Sauga im Spiegel. Weil durch die geplante Rentenaufstockung jetzt einige Menschen im Alter mehr Geld erhalten, müssten sich jüngere vor einer nicht beherrschbaren wirtschaftlichen Last fürchten: In einem vergreisten Land schufteten bald wenige Junge für viele Alte, am Ende bliebe für beide zu wenig für ein gutes Leben.
Die Angst vor der »Rentnerrepublik« geht schon seit vielen Jahren um und ist seit der Schröder-Ära regelmäßig Thema in Talkshows und Tagespresse…
Es ist genug für alle da
Schaut man sich die tatsächlichen Daten etwas genauer an, wird schnell klar, dass der wirtschaftliche Verteilungskonflikt in Deutschland nicht zwischen den Generationen verläuft, sondern zwischen Vermögenden und allen anderen. Um sich das Problem zu verdeutlichen, sind im Wesentlichen drei Werte relevant: Wie viele Waren und Dienstleistungen produziert die Wirtschaft, wie viele Menschen konsumieren sie, und wie viele Arbeitsstunden müssen Arbeiterinnen und Arbeiter dafür aufwenden?
… Das Verhältnis von produzierten Waren und Dienstleistungen zur Bevölkerung wird durch das Bruttoinlandsprodukt gemessen. Inflationsbereinigt (das heißt nachdem Preissteigerungen herausgerechnet wurden) stieg es von 36,800 US-Dollar pro Kopf im Jahr 2000 auf 45,500 US-Dollar pro Kopf im Jahr 2018, ein Anstieg von 23,6 Prozent. Gleichzeitig gab es im Jahr 2000 in Deutschland 23,1 Millionen Rentnerinnen und Rentner, im Jahr 2018 waren es 25,7 Millionen, also 11,3 Prozent mehr – bei einer praktisch konstanten Gesamtbevölkerung.
Die deutsche Wirtschaft ist also mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die Zahl derjenigen, die Renten beziehen, was nichts anderes bedeutet, als dass mehr als genug für alle Generationen da ist und der Lebensstandard für alle steigen sollte. Wenn ein Mensch, egal in welchem Alter, in Deutschland nicht genug zum Leben hat, so ist dies ein Problem der Verteilungs- und nicht der Generationengerechtigkeit…
Noch deutlicher wird das Bild, wenn man Produktivität und Lohnniveau miteinbezieht. Im Zeitraum von 1999 bis 2017 ist die Arbeitsproduktivität in Deutschland inflationsbereinigt um über 20 Prozent gestiegen. Mit derselben Anzahl von Arbeitsstunden wurden 2017 also über 20 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen erwirtschaftet (oder die Erzeugnisse waren von entsprechend höherer Qualität). Gleichzeitig stiegen die realen Löhne jedoch nur um acht bis neun Prozent, und mit ihnen auch die Renten, denn das Rentenniveau ist an das Lohnniveau gekoppelt. Das darüber hinaus erwirtschaftete Plus verblieb bei Unternehmen, Aktionären, Hedgefonds und Vermieterinnen und Vermietern. Sowohl arbeitende Menschen als auch alle in Rente hätten deutlich mehr verdient gehabt…
(…) Nehmt eure Oma und euren Opa also in den Arm und versprecht ihnen intergenerationelle Solidarität. Sie haben euch nichts gestohlen.
Quelle: Jacobin